Samstag, 23. August 2014

Shogun Band 11 – Rashomon von Ryonosuke Akutagawa



Mit einer Kurzgeschichtensammlung des bekannten japanischen Autors Ryonosuke Akutagawa wird nach drei Jahren Pause die Reihe Shogun fortgesetzt.

In der namensgebenden Story Rashomon schildert Akutagawa in eindringlicher Weise die Verelendung vieler Samurai zu Ende der Heian-Zeit, als die politische Macht von der Aristokratie auf den Schwertadel überging. Dies brachte viele Unruhen und den Verfall der Hauptstadt mit sich. Das Rashōmon war ein großes Tor im Süden von Heian-kyō, von dem aus die Suzaku-Allee nach Norden direkt zum Kaiserpalast führte.
In Akutagawa Ryūnosukes Geschichte zerfällt nicht nur die ganze Hauptstadt wie das Tor, sondern auch die Moral der Bevölkerung, die sogar Buddhastatuen zerschlägt, um Feuerholz verkaufen zu können. Ein armer, aus seinem Dienst entlassener Diener sitzt unter dem Tor und wartet darauf, dass es aufhört zu regnen. Er überlegt sich, dass er bereit wäre, alles Mögliche zu tun, um zu überleben. In der Hoffnung auf ein vom Wind geborgenes Plätzchen, an dem er in Ruhe etwas schlafen könnte, begibt er sich ins Obergeschoss des Rashōmon, obwohl er weiß, dass dort Leichen entsorgt werden. Umso erstaunter ist er, als er ein Licht bemerkt. Er steigt ins obere Stockwerk hinauf und sieht eine alte Frau, die die Haare von Leichen herauszupft. Ihn überkommt ein Gefühl von Ekel und Abscheu und er stellt sie zur Rede. Sie erklärt ihm, wenn sie nicht Haare für Perücken sammle, könne sie nicht überleben. Die tote Frau, der sie gerade die Haare herauszieht, habe aus Not vor kurzem noch Schlangenfleisch als Fisch verkauft. Sie würde verstehen, dass sie ihr die Haare nehmen müsse. Da es ums blanke Überleben ginge, sei in ihrem Tun nichts Falsches zu finden. Der Diener hingegen raubt der ja noch lebenden Alten ihren Kimono mit den Worten, dies sei, was er tun müsse, um zu überleben, und flieht in die tiefe Nacht hinaus, jedoch nicht ohne der sich an ihn klammernden Frau noch einen Tritt zu verpassen, so dass sie auf die Leichen fällt.

„Drei Fenster“ entstand wenige Wochen vor Akutagawas Freitod im Juli 1927 und war die letzte Erzählung, die zu seinen Lebzeiten erschien. In eindringlichen Bildern und mit melancholischen Untertönen erzählt der Text ganz im Stile des europäischen Naturalismus von menschlichen Abgründen und scheinbar unausweichlichen und durch Veranlagung und Umwelt schicksalhaft vorbestimmten Scheitern, von Entfremdung und Verlorenheit, Der Mikrokosmos des Kriegsschiffes wird zum Sinnbild eines militarisierten sozialen Gefüges, dessen Funktionieren auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam beruht und in dem das Individuum auf das sprichwörtliche „Rädchen im Getriebe“ reduziert wird. Auch das Kriegsschiff selbst aber ist ein beseeltes, fühlendes und wie der Mensch demUntergang geweihtes Wesen.
Zum Zeitpunkt der Niederschrift von „Drei Fenster“ stand Akutagawas Entschluss zum Selbstmord schon lange fest. Ungeachtet des pessimistischen Grundtons zeigt er sich jedoch auch in diesem späten Text als meisterhafter Erzähler und ebenso intellektuell distanzierter wie psychologisch präzise analysierender Beobachter.

Die längste Erzählung und sicherlich Highlight des Bandes „Die Qualen der Hölle“ spielt am Hof eines Fürsten: Yoshihide ist ein besonders eigensinniger Maler, der vom Fürsten beauftragt wird, einen Wandschirm mit einer Darstellung der Hölle zu bemalen. Yoshihide kann jedoch nur malen, was er in Realität gesehen hat. So hat er bereits verwesende Leichen am Objekt studiert und skizziert. Seine Assistenten müssen einige Grausamkeiten erleiden, damit Yoshihide ein naturgetreues Modell zu sehen bekommt. Währenddessen weilt seine Tochter am Hof des Fürsten und bezaubert mit ihrem Wesen und ihrer Schönheit. Als Yoshihide jedoch eine Schaffenskrise erleidet, wird auch die Harmonie am Hof gestört.

„Der Christus von Nanjing“ markiert einen Wendepunkt in Akutagawas Schaffen. Während seine Werke bis zu jener Zeit zumeist Adaptionen und moderne psychologische Interpretationen klassischer Vorlagen waren, spielt die Erzählung in einem Freudenviertel der chinesischen Stadt Nanjing und schildert mit hintergründiger Ironie die Geschichte von der wundersamen Heilung einer an Syphilis erkrankten gläubigen christlichen Prostituierten. Wenngleich noch immer surreale und phantastische Momente die Handlung bestimmen und Realität und Illusion sich vermischen, ist der Text Ausdruck einer Suche nach neuen Formen des Erzählens, die Akutagawa schon bald zur Ich-Erzählung führen sollte


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